Artikel | 10/04/2021 13:40:30 | 12 min Lesezeit

Stadtwald Augsburg – wo nachhaltige Papierherstellung und Forstwirtschaft eine Einheit bilden

Wie funktioniert nachhaltige Forstwirtschaft in komplexen Umgebungen? Ein gutes Beispiel: Der Augsburger Stadtwald, der Naturschutzgebiet ist, 300.000 Menschen mit Trinkwasser und die UPM Papierfabrik mit Holz versorgt. Christian Ripperger, Förster und Revierleiter der Stadt Augsburg, und Stefanie Eichiner, Nachhaltigkeits-Managerin bei UPM Communication Papers, sprechen über gemeinsame Ziele, Handelsbeziehungen und Herausforderungen durch den Klimawandel.

Unter den Sohlen: Laub, Moos, kleine Äste, morgenfeuchter und weicher Waldboden. Über unseren Köpfen: die Wipfel von Buchen, Kiefern und von einer der mächtigsten Linden des Siebentischwaldes. Zu hören: nur die Geräusche der Blätter im Wind. „Wroufff“ – ein ungeduldiges, halblautes Hundebellen durchbricht die Stille.

Christian Ripperger, Förster und Revierleiter der Stadt Augsburg, zieht kurz an der Leine seines Drahthaarrüden. Frodo legt sich wieder ab und Ripperger sagt mit sanfter Stimme und mit bayerisch gerolltem R: „Diese Linde hier, sie ist eines der ältesten Exemplare in unserem Stadtwald. Die steht hier bestimmt über 200 Jahre…“ Er macht eine kurze Pause, bevor er fortfährt „… und sie wird noch lange hier stehen. Sie ist eine Art Kulturdenkmal, zudem ein Biotopbaum – und sie hat in diesen Wäldern erstaunlich viel erlebt.“

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Christian Ripperger, Förster und Revierleiter der Stadt Augsburg, mit seinem Drahthaarrüden Frodo.

Stefanie Eichiner legt für einen Moment die Hand an den zirka einen Meter dicken Stamm der Linde, blickt hinauf zur Krone. Sie ist studierte Forstwissenschaftlerin und Leiterin der Abteilung Nachhaltigkeit bei UPM Communication Papers. Für sie und Christian Ripperger sind die bayerischen Wälder Beruf und Berufung, Arbeits- und Erholungsort.

Beide wissen, wie schützenswert nicht nur einzelne schöne Bäume wie diese alte Linde sind, sondern der gesamte Wald als Ökosystem. Die Zwei kennen die Forstwirtschafts-Fehler der Vergangenheit durch den Fokus auf Nadelholz-Monokulturen. Beide teilen auch den Förster*innen-Humor („Willst Du einen Wald vernichten, pflanze Fichten, Fichten, Fichten“). Sie stellen sich aber auch den Herausforderungen durch die Klimakrise und unterschiedliche gesellschaftliche Interessen, die im Wald zusammenkommen. Doch ihre größte Gemeinsamkeit ist, dass beide an Lösungen arbeiten, bei denen vor allem einer profitiert: der Wald selbst.

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Bewertung des jährlichen Zuwachses: Stefanie Eichiner, Nachhaltigkeitsmanagerin bei UPM Communication Papers, und Christian Ripperger, Förster und Forstrevierleiter der Stadt Augsburg, auf Erkundungstour im Stadtwald.

Intensive und nachhaltige Waldnutzung

Der Augsburger Stadtwald ist insgesamt 21,5 km2 groß und ein sehr gutes Beispiel für nachhaltige Forstwirtschaft in einem höchst komplexen Umfeld. Komplex, weil dieser Wald viele Funktionen hat. Der Siebentischwald ist ein Bereich dieses Waldes direkt am Rand der Stadt. „Der Wald ist nicht nur Erholungsraum, Lieferant für den wunderbaren Rohstoff Holz und schützt u. a. unser Trinkwasser, sondern erbringt noch etliche weitere sog. Ökosystemleistungen. Es wurden hier im Stadtwald bis zu 13 dieser Leistungen zugleich auf der Fläche empirisch festgestellt“, geht Förster Ripperger ins Detail. „Intensiver kann man einen Wald kaum nutzen, umso wichtiger ist die nachhaltige Pflege und Bewirtschaftung. Hier ist durchdachtes Handeln gefragt.“

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Auffällig ist aber auch das, was man nicht sieht, aber erwartet hätte: Hohe „Polter“ gerade erst gefällter Bäume, die später zu Papier werden, sind in diesem Teil des Waldes nicht zu finden. „Viele Menschen haben die Vorstellung, dass für uns ganze Wälder abgeholzt werden und kahle Freiflächen zurückbleiben. Das ist in Mitteleuropa definitiv nicht der Fall“, erklärt UPM-Nachhaltigkeitsmanagerin Stefanie Eichiner. „Was an das Unternehmen geliefert wird, fällt für uns ab: Papierholz ist ein sogenanntes Nebenprodukt. Es werden keine Bäume in Plantagen gepflanzt, die dann später auf einen Schlag geerntet werden.“ Förster Ripperger ergänzt: „Wir Forstleute sprechen dabei von Durchforstungsmaterial.“

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Augsburg am Horizont: Der Siebentischwald ist ein kleiner Teil des Augsburger Stadtwaldes. Er liegt im Südosten, direkt am Rande der Stadt und er ist ein sehr beliebtes Naherholungsgebiet. 

Behutsame Durchforstung

Wie findet Ripperger das Holz für UPM Communication Papers? Eine „Durchforstung“ ist Alltagsgeschäft in der Forstwirtschaft, sie wird auch „Pflegemaßnahme“ genannt. Dafür durchstreift der Förster sein Revier, beobachtet insbesondere das Wachstum und den Lichteinfall – und entscheidet dann, wo er den Wald unterstützen kann. Mit auffälliger Sprühfarbe markiert er die Bäume, die die Holzfäller*innen später ernten. Indem Ripperger „das Licht steuert“, sorgt er dafür, dass sich der Wald stets verjüngt und keine freien Flächen entstehen.

Wie diese Durchforstung genau durchgeführt wird, unterscheidet sich von Wald zu Wald und je nach Zielsetzung. „Ein übergeordnetes Ziel hier im Augsburger Stadtwald ist es, diesen langfristig zu einem Mischwald umzubauen“, so Ripperger. Dieser Umbau hat viele Gründe: Zum Beispiel ist aktuell der Anteil an Fichten und Kiefern zu hoch, was den Wald angesichts des Klimawandels schwächt und nicht gut für die Trinkwasserqualität ist. Die vielen Nadeln versauern den Boden. Ein Mischwald mit seiner hohen Diversität an Baumarten ist robuster und gesünder.

Ich gehe also nicht mit einer Bestellliste `5000 Fichten mit einem Durchmesser von 10 Zentimetern für UPM` in den Wald und pflücke die an einem Tag mit der Maschine raus.
Christian Ripperger

 

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Stadtförster Christian Ripperger und Nachhaltigkeitsexpertin Stefanie Eichiner wissen, wie wichtig es ist, langfristig zu denken und zu handeln. Ein Beispiel dafür: Große Mengen an Totholz, das in anderen Wäldern zum Beispiel als Brennholz verkauft werden würde, verbleibt im Augsburger Stadtwald und wird dort zu einem neuen Lebensraum.

„Ich gehe also nicht mit einer Bestellliste `5000 Fichten mit einem Durchmesser von 10 Zentimetern für UPM` in den Wald und pflücke die an einem Tag mit der Maschine raus. Das passiert über das gesamte Jahr und sehr behutsam.“ Stefanie Eichiner ergänzt: „Die Bäume für die Papierindustrie sind zudem ein Nebenprodukt der Waldwirtschaft. Bäume, die keine Chance auf Wachstum mehr haben und die für die Bau- und Möbelbranche ungenügend sind. Denn deren Holz muss strengere Anforderungen erfüllen, uns als Papierhersteller reichen kleinere Bäume mit geringerem Stammumfang.“

Drei Dimensionen der Nachhaltigkeit

Doch auch wenn es lediglich Durchforstungsmaterial ist, hat dieses Papierholz seinen Wert ­– in Augsburg ganz besonders. Christian Ripperger: „83 Prozent der Waldfläche sind ehemalige städtische Stiftungswälder. Das bedeutet, dass von jedem Euro, den wir erwirtschaften, bis heute 83 Cent dem städtischen Stiftungsamt zufließen und damit sozialen und kulturellen Zwecken zu Gute kommen.“

So kommt das Geld, das UPM für das Holz aus dem Stadtwald zahlt, wieder indirekt bei den Menschen in der Region an. „Nachhaltigkeit hat drei Dimensionen: ökonomisch, ökologisch und sozial“, erklärt Stefanie Eichiner. „Hier in Augsburg sind alle drei Felder eng verzahnt und bestärken sich: Je besser sich die Menschen um den Wald sorgen, desto besser sorgt er sich um sie.“

 

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Ökonomisch bedeutsam für die Augsburger ist auch die Papierfabrik von UPM am Stadtrand. Sie wurde schon 1849 gegründet und ist ein wichtiger Arbeitgeber der Region. Heute produzieren rund 300 Mitarbeiter jährlich bis zu 350.000 Tonnen gestrichene Rollendruckpapiere, die vorrangig für Zeitschriften, Zeitungsbeilagen, Werbeprospekte sowie Verkaufs- und Versandkataloge eingesetzt werden. „Die kurzen Lieferwege zwischen Wald und Fabrik tragen zu unserer sehr guten Umweltbilanz am Standort bei“, so Eichiner.

Wald und Papier als CO2-Speicher 

Stefanie Eichiner und Christian Ripperger bleiben einen Moment neben einer großen Buche stehen. Eine häufige Frage, die sowohl dem städtischen Förster als auch der Nachhaltigkeits-Expertin bei UPM oft gestellt wird, ist: „Wieso lasst ihr den Wald nicht einfach wachsen?“ So einfach die Frage klingt, so komplex ist die Antwort. „Die Frage suggeriert, dass wir über Urwälder sprechen. Aber in Europa gibt es keine Urwälder mehr, der Mensch hat schon vor Hunderten von Jahren Wälder bewirtschaftet und Holz als Material genutzt: um zu bauen, zu heizen oder zu kochen.

Mehr CO2 aus der Atmosphäre ziehen aber diese jungen Bäume, die noch zulegen.
Christian Ripperger



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In einem gesunden Wald kommt es auf viele Details an: Damit das Gleichgewicht in seinem Revier stimmt, nimmt sich Förster Christian Ripperger viel Zeit und achtet auch auf Kleinigkeiten.  

Alle Wälder in Europa sind vom Menschen gestaltet“, erklärt Eichiner. „Und in Zeiten der Klimakrise müssen wir das sogar noch strategischer tun“, fügt Christian Ripperger hinzu. Warum? „So ein großer, ausgewachsener Baum bindet viel CO2, aber er hat auch seine maximale Masse erreicht. Mehr CO2 aus der Atmosphäre ziehen aber diese jungen Bäume, die noch zulegen.“ Bei seinen Worten zeigt Ripperger auf drei junge Buchen, die rund fünf Meter hoch sind – die aber im Schatten einer großen Altbuche stehen. Ripperger: „Falls wir irgendwann die ausgewachsene Buche fällen, haben die drei jungen Bäumchen bessere Bedingungen, schneller zu wachsen – wodurch insgesamt mehr CO2 aus der Atmosphäre gebunden wird.“

Denn nachhaltig bewirtschaftete Wälder weisen eine bessere Klimabilanz auf als wilde Wälder, weil ihr Holzzuwachs größer ist. So wird der Wald zu einem CO2-Speicher. „Klingt logisch, aber es gibt einen kleinen Haken“, ergänzt der Förster. „Wichtig ist, dass wir in unserem Fall das Holz der ausgewachsenen Buche einem langfristigen Nutzen zuführen.“

Was das bedeutet? Verbaut der Mensch das Holz beispielsweise für ein langlebiges Möbelstück, so wird das gespeicherte CO2 dort in dieser Funktion voraussichtlich mehr als 100 Jahre gebunden sein. Auch zu Papier verarbeitet erfüllt der Rohstoff Holz seine Funktion als CO2-Speicher: Papiersorten wie UPM Fine zum Beispiel lassen sich mühelos 30 Jahre archivieren und binden pro Tonne 297 kg CO2e aus der Atmosphäre. Stefanie Eichiner: „Wird unser Papier danach recycelt, so bleibt es mühelos weitere Jahrzehnte in einem geschlossenen Kreislauf.“ Schlecht für das Klima hingegen wäre es, dieses Holz zu verbrennen. Zwar würde man dadurch Erdöl oder Erdgas einsparen und im Boden belassen können, aber die Speicherfähigkeit des Holzes wäre damit sofort zunichte.

 

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Der Augsburger Stadtwald wird nachhaltiger bewirtschaftet als viele Wälder in Deutschland. Diese Art nachhaltiger Forstwirtschaft wird auch von einer der weltweit größten Waldzertifizierungsorganisationen PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes) zertifiziert.

So ist auch das Konzept der „Langfristigkeit“ eine große Gemeinsamkeit in der Arbeit von Stefanie Eichiner und Christian Ripperger. „Wir planen im Augsburger Stadtwald in Zeiträumen von 100 Jahren“, so der Förster. „Deshalb erschaffen wir jetzt stabile Mischwälder mit klimaresilienten, standortgemäßen Baumarten, die Krisen – sei es durch Pilze, Käfer oder Hitzeperioden – überstehen.“ Und UPM? „Unser Geschäftsmodell basiert auf Holz aus nachhaltiger Forstwirtschaft", sagt Stefanie Eichiner. "Verantwortungsvolle Rohstoffbeschaffung ist für uns Pflicht. Wie das mit den richtigen Strategien auch in komplexen Systemen funktioniert, sieht man im Augsburger Stadtwald.“

 

Der Augsburger Stadtwald in Zahlen

Fläche:

Die Stadt Augsburg verwaltet die größte Waldfläche in Bayern. Insgesamt bewirtschaftet sie 7679 Hektar Wald – also etwa so viel wie 10.000 Fußballfelder.

Baumartenverteilung: 

75 Prozent Nadelholz, 25 Prozent Laubholz, davon 55 Prozent Fichte, 14 Prozent Kiefer, 11 Prozent Buche.

Naturschutz:

Das Naturschutzgebiet Stadtwald Augsburg ist eines der größten Naturschutzgebiete Südbayerns außerhalb der Alpen.

Wasser:

Ein 70 Kilometer langes Bachnetz zieht durch den Augsburger Stadtwald und macht ihn zu einem perfekten Naherholungsgebiet.  

 

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