Artikel | 11/16/2022 10:09:20 | 7 min Lesezeit

Kreislaufwirtschaft, Kraftstoffeffizienz und Zukunftsfähigkeit: Ein erster Blick auf das Gaskraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung bei UPM Nordland Papier

Wie kann ein energieintensives Unternehmen die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende mitgestalten, CO2 reduzieren, sich zukunftsfähig aufstellen und die Rentabilität verbessern? Klaus Reimann, Werksleiter von UPM Nordland Papier, und Peter Reisige, Projektdirektor für die neue Kraft-Wärme-Kopplungsanlage (KWK) bei UPM Nordland Papier, erläutern, wie dies am Standort Dörpen umgesetzt wurde und welche Möglichkeiten sich in der Zukunft bieten.

 

UPM Nordland Papier wurde 1967 gegründet und ist mit einer Jahresproduktion von bis zu 1,2 Millionen Tonnen die größte Fein- und Spezialpapierfabrik Europas. Die Papierherstellung ist nach wie vor ein energieintensiver Industriezweig, so dass der Schlüssel für einen langfristigen Fortbestand angesichts des globalen Klimawandels in der Energieeffizienz und im Gesamtenergiekonzept der einzelnen Produktionsstandorte liegt. Mit der neuen KWK-Anlage geht Nordland diese Themen weiterhin aktiv an.

Die Volatilität des Stromnetzes war ein wichtiger Beweggrund für den Bau des hocheffizienten 84-MW-Gaskraftwerks bei Nordland, das den Wärmebedarf des Werks teilweise decken und eine aktive Teilnahme an den zunehmend volatilen deutschen Strommärkten ermöglicht. Das Kraftwerk unterstützt die Energiewende, da es kurzfristig flexible Erzeugungskapazität bereitstellen kann, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht. Das stärkt die Stabilität des gesamten Stromsystems. "Wind- und Solarenergie können je nach Wetterlage stark schwanken ", sagt Peter Reisige, Projektdirektor für das neue Kraftwerk. "In diesen Situationen kann der Strombedarf im Netz allerdings trotzdem hoch sein. Diese Volatilität können wir mit unserem neuen Kraftwerk ausgleichen und sind damit in der Lage, zur Stabilisierung des Systems beizutragen."

Die offizielle Einweihung der Anlage fand am 3. November statt. Für die KWK-Anlage war dies allerdings nicht der Start, da der Produktionstestlauf bereits im August erfolgte und ab diesem Zeitpunkt bereits Strom ins Netz eingespeist wurde. Durch die in die Papierproduktion integrierte eigene Energieerzeugung kann UPM das Gaskraftwerk mit einer sehr hohen Effektivität betreiben, und der CO2-Fußabdruck wird um ca. 300.000 Tonnen pro Jahr im Scope-2-Emissionen verringert. "Der Strom, den wir hier produzieren, erzeugt im Vergleich zum deutschen Strommix in der Gesamtbilanz deutlich weniger CO2."

Energieeffizienz und Stromerzeugung

Bisher wurde der für die Papiertrocknung benötigte Dampf durch die Verbrennung von Erdgas im werkseigenen Heizwerk erzeugt. Dieses wurde bereits vor einiger Zeit um einen neuen Kessel erweitert, der Strom zur Dampferzeugung nutzt. Dieser kann sinnvollerweise dann betrieben werden, wenn zu viel erneuerbare Energie im Netz angeboten wird und nur geringe Nachfrage besteht. "Es handelt sich um ein Instrument, das fluktuierende erneuerbare Energien zur Dampferzeugung nutzen kann. Dieser Dampf wird dann in unserem Produktionsprozess zur Trocknung von Papier verwendet und es kann fossiles Erdgas eingespart werden", erklärt Klaus Reimann, Werksleiter bei UPM Nordland Papier.

Als energieintensives Industrieunternehmen verbraucht das Werk nicht nur Energie, sondern erzeugt manchmal auch mehr Energie als es benötigt. Durch den Netzanschluss kann UPM Nordland überschüssige Energie in das kommunale Stromnetz einspeisen. "Wir haben uns in den letzten Jahren verstärkt auf dem Energiemarkt engagiert. Früher war es zum Beispiel undenkbar, dass wir die komplexen Papiermaschinen innerhalb von 15 Minuten herunterfahren und damit den Bedarf an Strom zur Stabilisierung des Netzes reduzieren können", sagt Reimann. "Mit der erhöhten Flexibilität ist das heute kein Thema mehr. Somit können wir uns  zukünftig auf der Abnahme- und Erzeugerseite  aktiv am Energiemarkt einbringen.“

Hinzu kommt, dass die KWK-Anlage bei Nordland Papier im Vergleich zu anderen Kraftwerken hocheffizient ist. "Der Brennstoffwirkungsgrad gibt an, wie viel Gas wir benötigen, um eine bestimmte Menge an Dampf und Strom zu erzeugen. Viele Anlagen arbeiten mit einem Wirkungsgrad von etwa 50-55 %. Da die KWK-Anlage bei Nordland auch Wärme zur Papiertrocknung nutzt, ist sie sehr brennstoffeffizient, nämlich bis zu 90 %", sagt Reisige.

Kreislaufwirtschaft durch intelligentes Design fördern

In der Papierfabrik gibt es mehrere Papiermaschinen, die Dampf zur Trocknung verwenden. Durch die Verbrennung von Gas in einer Turbine wird ein Großteil an Strom direkt erzeugt. Die Abgase werden zur Erzeugung von Dampf mit sehr hohen Temperaturen und Drücken genutzt. Hiermit werden Dampfturbinen zur weiteren Stromerzeugung angetrieben und der Niederdruckdampf wird anschließend zur Trocknung des Papiers verwendet wird. Große neue Rohrleitungsanlagen verbinden jetzt die KWK-Anlage, die Heizkessel und den Stromkessel auf intelligente Weise mit den Papiermaschinen. Dies war eine große Ingenieursleistung für das Nordland-Team und seine Lieferanten.

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L: Niederdruck- und Hochdruckdampfturbinen.
R: Große neue Rohrleitungsanlagen verbinden jetzt die KWK-Anlage, die Heizkessel und den Stromkessel auf intelligente Weise mit den Papiermaschinen.

Außerdem gibt es eine neue Wasseraufbereitungsanlage. Diese neue Anlage stellt nun reines Wasser für das Kraftwerk sowie für die vorhandenen Kessel her. Die Hauptzufuhr bildet der Rückfluss von Kondensat aus den Papiermaschinen. Daher muss nur eine sehr geringe Menge an zusätzlichem Wasser zugeführt werden.

 

Im Allgemeinen ist unser Wasserverbrauch ein Benchmark für die Papierindustrie

 

Möglichst geringer Wasserverbrauch war bei UPM Nordland Papier schon immer ein Kernanliegen. Es gibt sogar eine Anlage, in der gereinigtes Abwasser durch Osmose und Ultrafiltration aufbereitet wird, um es im Produktionsprozess wieder zu verwenden.

"Im Allgemeinen ist unser Wasserverbrauch ein Benchmark für die Papierindustrie. Wir haben einen hohen Grad an Wiederverwendung, Reinigungsstufen und ein intelligentes Wassermanagement, das den Vorteil eines Produktionsstandortes mit mehreren Papiermaschinen nutzt, ", erklärt Reimann. Das Team versucht stets, die Wasserwendung zu minimieren und durch Kreislaufwirtschaft die Produktionseffizienz zu maximieren, wo immer dies möglich ist.

 

 
Nordland Papier verfügt über eine eigene Wasseraufbereitungsanlage.

Bereit für die Wasserstoffwirtschaft

Die Bundesregierung hat als Ziel gesetzt, dass bis 2030 mindestens 80 % des Strombedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Es wird erwartet, dass Wasserstoff in Deutschland künftig eine wichtige Rolle spielen wird.

"Unsere Gasturbine ist in der Lage, mit H2 zu arbeiten", sagt Reisige. "Mit Anpassungen an der Turbine sind wir für die künftige Umstellung auf Wasserstoff gerüstet und können dann CO2-freien Strom produzieren." Auch die Rohrleitungsinfrastruktur, die das Kraftwerk mit dem Netz verbindet, wurde mit Blick auf die H2-Fähigkeit gebaut. "In den nächsten Jahren werden wir höchstwahrscheinlich eine Mischung aus Wasserstoff und fossilem Gas sehen, aber die bestehende Anlage sind auch für 100 % Wasserstoff vorbereitet und daher zukunftssicher."

Ein Großteil der Realisierung der KWK-Anlage wurde während der Zeit der Coronaeinschränkungen durchgeführt. So wurden täglich Tests für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Digitalisierung von Besprechungen durchgeführt, um mit den beispiellosen Ereignissen der Jahre 2020 und 2021 umgehen zu können. "Am stolzesten bin ich auf drei Dinge", erklärt Reimann: "Keine Unfälle bzw. eine sehr gute Sicherheitsleistung, die pünktliche Fertigstellung und die Einhaltung des Budgets für das Projekt. Wir sehen schon jetzt sehr gute Ergebnisse aus dem Produktionsbeginn der KWK-Anlage - nicht nur für die Papierproduktion, sondern auch als integrierter Bestandteil der Papierfabrik und die Möglichkeit, als energieintensives Unternehmen die Energiewende mitzugestalten."

 
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